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CeMEAS Vortrag & Podiumsdiskussion: 100 Years of CCP History – 100 Jahre KPCh/ Ist die Ära Xi Jinping das Ende der Geschichte der KPCh oder: Wie Xi Jinping die Parteigeschichte umschreibt.
29. Juni 2021, 18:00 - 20:00
Vortrag: Jonny Erling (Frankurt am Main)
Moderator: Sascha Klotzbücher (Universität Göttingen)
Diskutant*innen: Felix Wemheuer (Universität Köln) & Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Universität Wien)
Zoom-Link: https://s.gwdg.de/Bxi2rO
100 Jahre Geschichte der KPCh, das ist ein Anlaß, um die Geschichte der KPCh neu zu überdenken und millionenfach in der VR China als Buch zu vertreiben. Xi Jinping hat die offizielle Parteigeschichtsschreibung in der VR China schon jahrelang damit beschäftigt, eine neue Version der Parteigeschichte zu verfassen und ihr seinen Stempel aufzudrücken. Johnny Erling wird sich mit der „neuen“ Parteigeschichte auseinandersetzen und in seiner Präsentation die wichtigsten Änderungen gegenüber früheren Versionen herausarbeiten. In der anschließenden Diskussion werden Susanne Weigelin-Schwiedrzik und Felix Wemheuer die aktuellen Befunde historisch und politisch im Gespräch mit Johnny Erling einordnen.
Auch der Pfirsich hat nur einen Kern: Wie Xi Jinping mit der Umschreibung der Parteigeschichte sich als Chinas neuer Steuermann etablieren will
Jonny Erling (Frankfurt am Main)
Zusammenfassung:
Zur Feier des hundertjährigen „Geburtstag“ der Partei am 1. Juli hat Parteichef Xi Jinping die Geschichte der KP seit 1921 neu schreiben lassen und ihr damit ein Danahergeschenk gemacht. Ein Viertel der 531 Seiten ist der Glorifizierung der Herrschaft Xis seit Ende 2012 gewidmet. Die Neufassung preist Staatsgründer Mao Zedongs Verdienst, das unterdrückte China „aufstehen“ zu lassen. Reformarchitekt Deng Xiaoping gelang es, China „reich“ werden zu lassen, Xi aber vollendet nun das Werk seiner Vorgänger, indem er China seiner historischen Bestimmung zuführt, „stark zu werden.“ Die Partei ist zu diesem Zweck vorbestimmt. Alle ihre Linienkämpfe und verheerenden Verfolgungskampagnen wie die Kulturrevolution können im Nachhinein neu bewertet werden, als rechtzeitig von der Partei korrigierte Betriebsunfälle auf der Suche nach dem richtigen Weg. Alle dabei gemachten Fehler können daher (ohnehin relativiert durch die vielen Erfolge) auf wenigen Seiten abgehandelt werden. Sie brauchen keine eigenen Kapitel mehr, um sie zu beschreiben.
Im Countdown auf den 20. Parteitag 2022, der die Weichen für Chinas Aufstieg in den kommenden 30 Jahren zur dominierenden Weltmacht stellen soll, festigt Partei- und Staatschef Xi Jinping mit der Reinterpretation der Parteigeschichte seinen Anspruch auf die Rolle eines neuen Steuermann in Chinas Geschichte. Als „Kern“ der chinesischen Führung hat er bereits die kollektive Führung ausgehebelt. Die Schulungskampagnen zur Parteigeschichte kurz vor dem 1. Juli geben die Linie vor, dass ohne Xi als Kern keines von Chinas Zielsetzungen erreichbar ist. „Wie Genosse Mao einst sagte. Wie viele Kerne hat ein Pfirsich? Wenn man ihn öffnet, dann sieht man nur einen.“
Statt wie einst vom Reformarchitekten Deng Xiaoping vorgegeben, nach zehn Jahren Amtszeit einen geordneten Übergang vorzubereiten, baut Xi seine Alleinherrschaft aus. Auf dem 19. Parteitag ließ er die Parteistatuten ändern, um sich als ideologischer Vordenker für die neue sozialistische Ära Xi zu verankern. Er brachte den Volkskongress dazu, ihm durch Verfassungsänderung zu erlauben, aufLebenszeit zu regieren.
Johnny Erling studierte Sinologie in Frankfurt und an der Peking-Universität. Von 1980 bis 1982 arbeitete er als Lektor am Pekinger Marx-Engels Institut. Von 1985 bis 1990 war er China-Korrespondent für einen Zeitungspool unter Federführung der Frankfurter Rundschau, von 1997 bis 2019 arbeitete er für die Welt und den Standard in Peking.