Am 18. Mai 2012, 14 – 16 Uhr im ZHG004
Referentin: Dr. Astrid Lipinsky (Institut für Sinologie der Universität Wien)
Die chinesische Regierung betreibt mit großem Eifer den Auf- und Ausbau des chinesischen ‚Rechtsstaates‘. Der Entwicklungsstand wird jährlich mit Weißbüchern dokumentiert. Gleichzeitig findet die Einordnung in das spezifisch chinesische Umfeld statt, zuletzt mit dem „White Paper on the Socialist Law with Chinese Characteristics“ von Ende Oktober 2011, das in der Zeitung China Daily veröffentlicht wurde.
Damit wird offensichtlich auf große Verbreitung gezielt. Aber entspricht dem die Bedeutung des Rechts in der chinesischen Gesellschaft? Die Regierung versucht, die Relevanz des Rechts über die „Rechtsverbreitung“ (普法 pufa) zu erhöhen. Rechtsverbreitung wird jedoch in Kampagnenform betrieben: Kann das Recht als Kampagne popularisiert werden, und inwiefern beeinflusst die Form das darin enthaltene Recht?
Das Rechtsverbreitungskonzept stellt die Einbeziehung und Mitwirkung der Massenorganisationen der Kommunistischen Partei, nämlich des Chinesischen Frauenverbandes, der Einheitsgewerkschaft und der Jugendliga sicher. Die Rechtsverbreitung ist Bestandteil der Bemühungen, die Massenorganisationen mit dem Recht kompatibel zu machen und sie im Gesetzestext zu verankern. Aber wie sieht es mit der für die Rechtsverbreitungs-Tätigkeit erforderlichen Qualifikation aus? Der Vortrag untersucht, ob, und wenn ja, welche Anforderungen an die Rechtsverbreitung gestellt werden, und wie sie inhaltlich begründet werden.
Die Einbeziehung der Massenorganisationen bedeutet gleichzeitig häufig den Ausschluss der nichtstaatlich organisierten Zivilgesellschaft. Der Vortrag versucht abschließend eine Beantwortung der Frage, ob das Recht in der Gesellschaft neutral strukturierend oder als Bremse des gesellschaftlichen Engagements eingesetzt wird.